Zwei Freunde fürs Leben
Mit Katze und Möwe: "Socke findet ein Ei" im Figurentheater Bremerhaven ist herzerwärmend
Nordsezeitung, 02. September 2024
Von Anne Stürzer
Bremerhaven. Ein Draufgänger mit einer weichen Seele. Und großen Erwartungen. Eigentlich träumt der Kater, der so gerne zum Zirkus möchte, von einem Flug um die Welt. Sein Wunsch geht im Figurentheater in Erfüllung. Doch anders als erwartet.
Hand aufs Herz, liebes Publikum, Kater Socke ist doch wirklich ein ganz Süßer. Mit seinem rotbraunen Fell, den weißen Pfoten, der weißen Schwanzspitze und der weißen Schnauze kann ihm niemand widerstehen - erst recht nicht sein Frauchen, die Puppenspielerin Lena. Da mag er in der Werkstatt noch so viel durcheinanderbringen.
Mit "Kater Socke sucht ein Ei" hat sich Ulrike Andersen, die ehemalige Chefin des Figurentheaters im Fischereihafen und heute noch als Geschichten-Erfinderin, Regisseurin und Erbauerin der schönen Figuren unterwegs, von eigenem Erleben und dem ihrer Katze inspirieren lassen. Herausgekommen ist ein herzerwärmendes Stück - nicht nur für Theateranfänger.
"Es war an dem Tag, an dem ich meinen Vorhang nähen wollte", beginnt Lena Kießling (...). Die Puppenspielerin tritt als Erzählerin auf, um die Geschichte mit den zwei kleinen Protagonisten voranzubringen. Kater Socke mss jetzt mal richtig stark sein. Beim Niedlichkeitswettbewerb gewinnt klar das frisch geschlüpfte Küken. Wie es das Brett herunterkugelt - einfach herrlich. Auch als das Möwchen älter wird, ist es noch herzallerliebst.
Möwe und Socke bespielen die fast leere Bühne. Ein Brett, ein Regal, zwei Stühle und viele Kisten - fertig ist die komplette Ausstattung. Wer braucht schon mehr?
Geschichte wird mit einfachen Mitteln erzählt
Mit bestechend einfachen Mitteln wird in 45 intensiven Minuten die ungewöhnliche Freundschaft zwischen einem Land- und einem Luftwesen lebendig. Das ist manchmal sehr anrührend, manchmal poetisch, manchmal auch komisch. Wenn Socke Fussel etwa das Fliegen beibringen will. Der Kater klettert aufs oberste Regalbrett und springt herunter. Die Möwe breitet einfach ihre Flügel aus.
Wobei, ich muss mich korrigieren, Freundschaft ist eigentlich das falsche Wort. Denn Socke brütet nach seinem Fund tatsächlich das Ei aus. Doch es schlüpft nicht, wie von ihm erhofft, ein Flugsaurier heraus, sondern eine Silbermöwe. Mit ihrer Hilfe um die Welt zu fliegen, das geht wohl nicht. Der Kater fühlt sich dennoch für das kleine Wesen verantwortlich, nimmt die Vaterrolle an, besorgt Leberwurst und Krabben zum Fressen.
Doch er ist nicht nur Papa, sondern auch eifersüchtiger Bruder, wenn er um die Aufmerksamkeit von Lena buhlt. Kater und Möwe streiten und vertragen sich - ganz wie in einer richtigen Familie.
Nicht nur der Kater wechselt die Rollen, Lena Kießling macht das ebenso. Sie agiert sowohl als Schauspielerin als auch als Puppenspielerin.
Mal steht sie als Lena auf der Bühne, die sich über den Kater ärgert, der ein Loch in ihren Theatervorhang geschnitten hat, mal tritt sie völlig zurück, überlässt den gefiederten und pelzigen Helden das Feld. Nicht nur ihre Haltung verändert sich, sondern auch ihre Stimme, je nachdem welchem der drei Charaktere sie die leiht.
Egal, ob Alt oder Jung, die Zuschauer sind hingerissen. Ende gut - alles gut, auch für unseren vierbeinigen Freund. Er findet eine schlaue Lösung, wie er zusammen mit der Möwe um die Welt reisen kann. Sie fliegt, und er folgt mit dem Schiff.
Als es am Ende der Vorstellung dunkel wird im Saal, sagt ein Mädchen "Noch mal". (...)